Die Saison 2020 – Der Jahresrückblick
Eigenartig war sie schon – die Freiluftsaison 2020. Als wir Anfang März von heute auf morgen ohne Trainingsmöglichkeiten waren, da die Europahalle von einem Tag auf den anderen ohne Vorwarnung geschlossen wurde, schleppten wir in weiser Voraussicht am Samstag noch eine Hantelstange und Gewichte ins Stadion, um in Zukunft dort unser Krafttraining irgendwie zu improvisieren, auch das vergebens. Montag morgens wurden alle Sportanlagen wegen Corona gesperrt. Wegen der Kontaktsperre suchten wir dennoch nach Trainingsmöglichkeiten, denn schließlich standen ja die Olympischen Spiele noch im Terminplan – auch wenn die Hoffnung von Tag zu Tag geringer wurde, dass Tokyo wirklich stattfinden würde, der DLV und die Landesverbände eine Meisterschaft nach der anderen absagten, wir wollten uns nicht unterkriegen lassen. „ Ich beschwor meine Trainingsgruppe nicht in völlige Apathie zu verfallen, so gut es geht sich weiter sportlich zu betätigen, denn es war völlig klar – wer jetzt völlig untätig wird und jedes Training einstellt, wird es nicht schaffen für 2021 wieder das bisherige Leistungsniveau zu erreichen“ erläutert Coach Udo Metzler die damalige Situation. Auf Trimmpfaden, am Berg der Klotzanlage, auf asphaltierten Feldwegen – überall wo es möglich schien wurde trainiert und noch immer keimte die Hoffnung, dass nach dem Fußball auch unsere Sportart noch Chancen bekommt unter besonderen Bedingungen Wettkämpfe ausrichten zu können. Das Training auf den harten Böden blieb nicht ohne Auswirkung, leider haben sich zahlreiche Athleten im Laufe dieser Wochen verletzt, wurden vor allem Überlastungsreaktionen sichtbar, die bei einigen Athleten zum Abbruch der Saison führten.
Im April durften die wenigen Kaderathleten unter strengen Vorgaben wieder im Stadion trainieren –alle anderen mussten draußen bleiben und weiter hoffen, Mitte Mai öffneten sich die Tore auch für die anderen Athleten. Strenge Vorgaben erforderten die Aufteilung der Trainingsgruppe und damit eine Verdopplung der Betreuungszeit – aber dann gab es Licht am Ende des Tunnels. Erste Coronasportfeste wurden von der LG Region Karlsruhe durchgeführt, der DLV wollte mit einer „ late season“ den Athleten noch eine sinnvolle Perspektive für die abgesagten Olympischen Spiele und die abgesagte EM bieten – und die Athleten nahmen diese Möglichkeit dankend an.
Tabea Müller – eigentlich mit dem Ziel angetreten die 12-Sekundenmarke zu knacken, verletzte sich Anfang Mai nach tollen Trainingsleistungen wieder einmal am Beuger und musste die ganzen Sportfeste aussetzen. Ende Juli folgte der erste Wettkampf und so waren die erreichten 12,57s über 100m für Tabea natürlich nicht befriedigend. Von Wettkampf zu Wettkampf konnte sich Jan Kirstein nach dieser schwierigen Vorbereitung steigern und erzielte in Mosbach mit 11,19s eine sehr gute Zeit nur knapp über seiner PB. Über 200m stehen in diesem Jahr 22,57s in den Bestenlisten und geben das Ziel für 2021 vor – eine Zeit unter 22s.
Nach einigen Anpassungsproblemen kam Neuzugang Tobias Kaloghlian dann doch noch in Schwung. Der im Oktober aus Argentinien nach Karlsruhe gekommene Hürdenläufer, der hier am KIT Umwelttechnologie studiert und in diesem Jahr sogar noch der Jugendklasse angehört, versuchte sich erstmalig an den 400m Hürden, musste hier mächtig Lehrgeld bezahlen und blieb so bei 57,93s hängen. In seiner bisherigen Paradedisziplin über die 110m Hürden erreichte Tobi immerhin noch 14,98s über die A-Jugendhürde und hat sich für 2021 einiges vorgenommen.
Julian Howard startete erstmals in dieser Saison in Osterode und gewann den Wettkampf guten Sprüngen mit 7,85m und konnte mit einem sehr überzeugenden Wettkampf in Weinheim fortsetzen, was er beim Meeting in Osterode schon angedeutet hat. Mit 7,95m eingestiegen produzierte er bei diesem Wettkampf in Weinheim aber noch immer zu viele ungültige Versuche, ehe die 8,03m des Franzosen nochmal Energie frei setzten, Julian bei halbem Brett 8,06m folgen ließ und damit den insgesamt mit zu vielen Pannen versehenen Wettkampf gewinnen konnte. Nächstes Ziel – die DM.
Dort hat Julian den Titel aber sprichwörtlich verloren. Als Jahresbester mit 8,06m angereist war eigentliches Ziel die Meisterschaft mit nach Karlsruhe zu nehmen – doch das gelang leider nicht. Alle Horizontalsprünge – also Weitsprung und Dreisprung – mussten auf einem dafür extra erstellten Podest durchgeführt werden, da die Renovation der Sprunganlagen nicht rechtzeitig fertig geworden war. Dadurch war die Anlaufrichtung vorgegeben und ein Wechsel auch bei Gegenwind nicht möglich. Bis auf wenige Versuche blies den Athleten dann auch permanent Gegenwind entgegen, der zwischen 0,4m/s und 3,2m/s allen Springern das Leben schwer machte und zu einer Flut von ungültigen Versuchen führte. Dabei hatte eigentlich alles gut begonnen – schon beim Einspringen zauberte Julian aus kurzem Anlauf einen Sprung nahe der 8m in die Grube, der erste Versuch war wieder gültig und mit 7,70m trotz verhaltenem Anlauf und 2,0m/s Gegenwind ein toller Einstieg. Doch der Wind wurde stärker und blies bei all seinen Sprüngen immer von vorne. Julian sprang trotz Gegenwind 3x an bzw. über die 8m-Marke – leider immer ungültig. Alleine Maxi Entholtzner erwischte einen der seltenen Phasen von Rückenwind und nutzte die Chance im 5. Versuch nach einem bis dahin eher schlechten Wettkampf. Sein Sprung war knapp gültig, ließ keinen Platz mehr am Plastilin und so stellte er den Wettkampfverlauf eigentlich auf den Kopf. Julian versuchte zu kontern und packte einen tollen Versuch deutlich über 8m aus – doch hier war der Eindruck genauso knapp im Plastilin wie zuvor bei Maxi Entholzner am Plastilin. Mit 7,96m wurde Maxi Entholtzner zum ersten Mal Deutscher Meister im Freien und ließ einen sichtlich frustierten Julian Howard zurück. ” Heute hat nicht der Beste sondern der Glücklicher gewonnen” war nicht nur die Meinung seines Coaches Udo Metzler, sondern der Eindruck aller beim Weitsprung versammelten Trainerkollegen.
Bei allem Frust gilt es festzuhalten – unter diesen schwierigen Bedingungen der Coroankrise gab es in 2020 keinen Weitspringer, der eine solch starke Performance bei all seinen Sprüngen gezeigt hat. Das sollte Zuversicht geben für die nicht weniger einfache Vorbereitung auf 2021 und damit hoffentlich auf die Olympischen Spiele in Tokyo.
Udo Metzler